Kultur des Behaltens vs. Kultur der Kooperation?

Bildungsforum am 28.11.2014: Publikum
Als die Publikumsrunde eröffnet war, schnellten die Hände nach oben.
Aaron Störmer diskutierte beim Bildungsforum am 28.11.2014 eifrig mit.
Aaron Störmer diskutierte beim Bildungsforum am 28.11.2014 eifrig mit.

Die Vorstellung, dass man als Person seine Meinung an der Garderobe abgeben muss, wenn man Mitglied einer politischen Partei wird, ist in vielen Köpfen weit verbreitet. Dass es sich hierbei vielleicht um ein Mythos handeln könnte, bewies die Remscheider SPD am vergangenen Freitag mit einem Bildungsforum im Gläsernen Anbau des Ämterhauses am Friedrich-Ebert-Platz, wo sie Parteimitglieder, Schulleitungen, Elternvertretungen und Schülervertreter der weiterführenden Schulen Remscheids sowie interessierte Bürgerinnen und Bürger zu einer zieloffenen Diskussion eingeladen hatte.

Ausgangspunkt war ein Antrag aus dem Unterbezirk Dortmund an den Landesparteitag der NRW SPD, der ein Abschulungsverbot für Gymnasien und Realschulen forderte. In diesem Antrag wurde kritisiert, dass die integrierten Schulformen Gesamtschule und die neue Sekundarschule durch die Möglichkeit an den o.g. Schulen, Schülerinnen und Schüler bei nicht erreichen der Leistungsziele die Schule wechseln zu lassen, benachteiligt würden. Die integrierten Schulformen hätten eine eigene pädagogische Arbeit, welche durch von Gymnasien und Realschulen abgeschulte Schülerinnen und Schüler beeinträchtigt werden.

Als Vertreter der Schulform Gesamtschulen nahm Herr Ludger Müller, Leiter der Rosa-Parks-Gesamtschule aus Herten, in Vertretung für die beiden örtlichen Gesamtschulleiter teil. Er plädierte in seinem Statement leidenschaftlich für eine „Kultur des Behaltens“ in den Schulen. Seine Schulform habe insbesondere ab der Klassen sieben damit zu kämpfen, dass dann von Gymnasien und Realschulen abgeschulte Schülerinnen und Schüler in großer Zahl dazu kämen. Dadurch sei die Gesamtschule in ihrer Arbeit besonderen Belastungen ausgesetzt.

Als Vertreter der Schulform Gymnasien nahm der Schulleiter des Gertrud-Bäumer-Gymnasiums an der Podiumsrunde teil. Er stelle heraus, dass eine zieldifferente Beschulung auch in einem integrierten Schulsystem möglich sei. Eine „Kultur des Behaltens“ einmal aufgenommener Schülerinnen und Schüler zu praktizieren, sei schwierig, da die Schulen durch den von der Landesregierung gestärkten „Elternwillen“ bei der Schulwahl Kinder nur dann ablehnen könnten, wenn die Aufnahmekapazitäten erschöpft sind. Aufstiegsgeschichten seien für Schülerinnen und Schüler auch nach Schulformwechseln möglich und Leidensphasen dadurch beendet werden.

Als Vertreterin der Schülerschaft war die Vorsitzende des Remscheider Jugendrates, Frau Anne-Marie Faßbender, eingeladen worden an der Podiumsrunde teilzunehmen. Sie bezweifelte, dass Schulformwechsel wirklich in ihrer Mehrheit zu Erfolgsgeschichten würden und verwies auf Beispiele aus dem Bekanntenkreis. Auch bei ihr stand die Frage Schulformwechsel einmal an, stattdessen blieb sie auf der Schule und macht zurzeit ihr Abitur. Sie wandte sich allerdings gegen ein striktes Verbot möglicher Schulformwechsel. Diese sollen ermöglicht werden, wenn die betroffenen Schülerinnen und Schüler dies wünschen – aber eben nicht über ihren Kopf hinweg entschieden werden.

In der Anschließenden Publikumsrunde warb der Schulleiter der Ganztagshauptschule Hackenberg, Herr Dirk Schönwetter, für eine verbesserte Beratung und verwies auf ein im Stadtbezirk Lennep, zwischen den dortigen weiterführenden Schulen praktizierte gemeinsame Beratungstage für den Übergang von der Grundschule auf die weiterführenden Schulen (Projekt „Bildungslandschaft Lennep“). Der Schulleiter des Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasiums verwies darauf, dass die Schullandschaft seit mehreren Jahren mit von außen in die Schulen gebrachten Druck umgehen müssten – er nannte exemplarisch das sogenannte „G8“ (das Abitur nach zwölf statt bisher 13 Jahren durch Streichen eines Schuljahres in der Mittelstufe des Gymnasiums). Ein Abschulungsverbot würde den Druck auf die Schulen erhöhen. Die Schulleiterin der Alexander-vom-Humboldt-Realschule, Frau Ernst, wies darauf hin, dass ihre Schule gemeinsam mit den anderen Schulformen aus dem Innenstadtbereich kooperiere und warb nachdrücklich gegen ein Abschulungsverbot. Bei einem Abschulungsverbot würde es die Realschule nicht mehr geben, die Eltern ihrer Schule hätten sich auf einer Konferenz aber einstimmig für den Erhalt der Schule ausgesprochen.

Der Leiter der Hertener Gesamtschule, Herr Müller, knüpfte an diesem Punkt an und stellte fest, dass mit dem Auslaufen der Schulform Hauptschule (in Remscheid gibt es nur noch eine) das gegliederte Schulsystem nicht mehr vollständig sei. Das gegliederte Schulsystem bestand aus dem Gymnasium, der Realschule und eben der Hauptschule. Alle drei Glieder waren für dieses Schulsystem gleich wichtig. Mit dem Auslaufen der Hauptschule – trotz guter pädagogischer Arbeit – würden nun den integrierten Schulformen Schülerinnen und Schüler ab der Klasse sieben aus dem anderen Schulsystem zugeleitet.

Am Ende des Abends stand zwar keine Lösung oder Wahrheit im Raum, wohl aber eine Tendenz. Erfreulich war, dass gerade die Jugendlichen, die an diesem Bildungsforum teilgenommen haben, keine Scheu bestand sich an der Debatte zu beteiligen. Die Idee eines Abschulungsverbot wurde hier überwiegend kritisch gesehen. Verwiesen wurde meist auf die eigene Bildungsbiographie, die ebenfalls Schulformwechsel beinhaltete – und trotzdem habe man „am Ende“ etwas geschafft. Frau Ankay-Nachtwein, die als Vertreterin des Integrationsrates an der Veranstaltung teilnahm, führte ins Feld, dass die Begabungen dann ja durchaus da gewesen waren und der Schulformwechsel nicht unbedingt notwendig gewesen wäre, wenn die Schulen die Möglichkeit hätten, jede Schülerin und jeden Schüler entsprechend zu fördern.

„DAS“ Fazit des Abends war: es wird nicht das letzte Mal gewesen sein, wo die Remscheider SPD zu einer öffentlichen und zieloffenen Veranstaltung – gerade auch zum Thema Bildung – eingeladen hat. Bemerkenswert war die Beteiligung der Jugendlichen bzw. der jungen Erwachsenen ebenso wie das Interesse der örtlichen Medien, die gleich mehrmals zum Thema schreiben wollten.