Laudatio auf Haases Papiertheater
Stolz auf Remscheid heißt unser Preis und er soll die Vielfalt und das besondere Liebenswerte unserer Stadt unterstreichen.
Was macht Remscheid nun besonders liebenswert?
Es sind die Menschen und die Institutionen, die sich besonders engagieren, die zum Teil auch über die Stadtgrenzen hinaus Botschafter Ihrer Heimatstadt sind oder auch die, die im Stillen wirken, weil Sie einfach Gutes für das Gemeinwohl tun wollen und dafür keinen Dank erwarten, weil es Ihnen einfach Spaß macht – auch die wollen wir mit diesem Preis einmal ins Scheinwerferlicht rücken und ihnen Danken.
Unsere diesjährigen Preisträger erfüllen diese honorigen Kriterien vollumfänglich.
Gerd Kirchhoff vom FC Klausen wird durch unseren Oberbürgermeister gelobt werden. Ich freue mich besonders darauf, dass Papiertheater Haase und mit Ihnen das Ehepaar Sieglinde und Martin Haase ehren zu dürfen.
Papiertheater – als ich dies vor einigen Jahren zum ersten Mal hörte, habe ich wie immer zunächst einmal das Lexikon der Neuzeit – Google – bemüht und ich fand folgende Definition:
Kleine Bühne aus Papier, auf der sich die technische Vielfalt einer Menschenbühne in modellmäßiger Form nachahmen oder verproben lässt. Eine etwas sperrige Definition aus der Mitte des letzten Jahrhunderts für etwas so Schönes und Kreatives – wie sie nachher hier an den Modellen bewundern können.
Um das Jahr 1810 entstanden diese Miniaturbühnen in Deutschland und England – es gibt aber auch schon ältere Modelle, die man in Haases Museum bestaunen kann. Sie dienten dabei vor allem der Wissensaneignung und kulturellen Prägung und fehlten in kaum einem bildungsbürgerlichen Haushalt. Sie waren Symbol der Theaterbegeisterung der Bürger und ihre Bühnenbilder waren entsprechend dem Zeitgeist großer Bühnen nachempfunden.
Durch ihren Aufbau erreichten sie von ihrer optischen Wirkung eine Darstellung in 3D – und das ganz ohne zusätzliche Brille wie in unserer Zeit im Kino.
Auch ein politischer Aspekt spielte eine Rolle. Wie beim Kasper im Puppentheater, konnte auch auf diesen Bühnen so manches gesagt werden, was im wahren Leben durchaus persönlich gefährlich werden konnte. Gerade in der Kolonialzeit bis hin zum ersten Weltkrieg.
Mit der Zeit entwickelten sie sich die Papiertheater zu einer traditionellen Familienunterhaltung für den Sonntagnachmittag, dann zum Kindertheater und verloren durch die Einführung von Radio und später Fernsehen zunehmend an Bedeutung. Letztlich bildete sich Mitte der letzten Jahrhunderts europaweit ein Kreis von Enthusiasten, der unabhängig voneinander dieses Kulturgut am Leben hielt.
So könnte die Geschichte zu Ende gehen – nicht jedoch in Remscheid und nicht mit den Haases.
Beide entdeckten 1997 im Spielzeugmuseum in Hagnau am Bodensee diese Theaterform und verliebten sich sofort in sie. Sie suchten und fanden europaweit Kontakt zu anderen Sammlern und Spielern und bauten dann auch ihre erste eigene Bühne.
Im Februar 2000 prämierte ihr ersten eigenes Stück “der gestiefelte Kater“ noch im eigenen Wohnzimmer. 2007 entstand dann ein eigener Spielraum unter dem Dach des eigenen Hauses und 2011 dann ein größerer Spielraum im Souterrain.
Seit 2018 ist diesem dann auch noch ein großartiges Museum, in dem ständig 35 kleine Bühnen und weitere Exponate ausgestellt werden, angegliedert worden.
Mittlerweile umfasst das Papiertheater Haase ein Repertoire von 40 Stücken, das mit den Haases durch Deutschland und Europa reist und in diesem Zusammenhang auch den Namen Remscheid weiter bekannt macht.
Nunmehr ist das Papiertheater seit dem 18.11.2021 immaterielles Kulturerbe und im bundesweiten Verzeichnis eingetragen. Es gab auch eine Landesförderung für eine neue Theaterbestuhlung (sehr bequem und stylisch).
Doch was passiert konkret in unserer Heimatstadt?
Da ist das laufende Programm im eigenen Theater in der Ackerstraße 14 in Remscheid, aber darüber hinaus wird in vielen Gemeinschaften und Gruppen auch unter sozialen Aspekten ein echtes Highlight gesetzt und kulturelle Teilhabe ermöglicht:
Ich nenne da nur Altenheime (großartige Wirkung auf Demenzkranke), Seniorengruppen, Jugendgruppen, Schulen (incl. Workshops) oder Kitas. Es gibt sogar einen eigenen YouTube-Kanal!
Ich habe Haases gefragt: Warum machen Sie, dass, wo liegt Ihre Motivation?
Beide sehen dies auch als Gegenentwurf zu unserer immer schneller werdenden durchdigitalisierten Welt. Es ist die ungeheure Vielseitigkeit (man schreibt Stücke, baut Bühnen und führt auf, es gibt sogar Festivals). Es ist eine Welt für sich, dass die Phantasie anregt. Es entschleunigt und bildet, macht einfach Spaß und tut den Menschen gut.
Ich habe zwei Menschen kennengelernt, die unterstützt von Ihrer Familie, ihr ganzes Herzblut und ihre ganze Leidenschaft in dieses Projekt legen. Die vielen Menschen damit eine Freude bereiten. Die ein großartiges Aushängeschild für Remscheid sind. Die ein wichtiges Kulturgut revitalisieren und die einfach nett sind.
Wir freuen uns, Ihnen den Preis “Stolz auf Remscheid“ überreichen zu können. Sie haben ihn wirklich verdient und ich bedanke mich für Ihr leidenschaftliches Engagement.
Herzlichen Glückwunsch!
Übrigens: Mitstreiter und Interessierte sind gerne willkommen.
Nutzen Sie die Gelegenheit. Schauen sie sich die Modelle an und kommen Sie mit Sieglinde und Martin Haase ins Gespräch!